Freitag, 25. Dezember 2009

Frohe Weihnachten


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Plötzlich zieht sich alles zusammen. Die Welt ist ein dunkles Teilchen in der Materie. Als griffe eine Hand in dein Inneres und schließe sich brutal zur Faust um deinen Dickdarm, um dann nach hinten zur Wirbelsäule zu drücken. Alles in dir reißt.
Du versucht, dich dagegen zu wehren. Du willst die Faust wieder lockern. Einatmen und Ausatmen. Schließe die Augen und versuche, dich auf ein schönes Bild zu konzentrieren, lehne deine Stirn gegen eine kalte Scheibe. Einatmen und Ausatmen. Stelle dir den Gipfel eines Wolkenkratzers vor und dir zu Füßen eine endlose Landschaft aus Häuserreihen, die am Horizont von einem Ozean verschluckt wird. Stelle dir vor, du bist alleine und die Wolken über dir fließen wie ein Strom von grauem Zement über dich hinweg, dorthin, von wo du weg willst, in ein schwarzes Loch, in dem alles Form und Farbe verliert.
Du musst den Blick auf den Horizont gerichtet halten und den Boden unter deinen Füßen spüren, verfolge nicht den Wolkenstrom mit deinen Augen, versuche nicht ihn zu fühlen. Nach vorne, immer nach vorne auf dem festen Grund.
Aber es tut weh, dein Atem stemmt sich gegen deinen Brustkorb und droht durchzubrechen, er weht um dein Herz und reißt an den Arterien, wird von einer Membran an die nächste geschleudert, bauscht sich auf, beschleunigt die zitternde Luft in deinem Brustkorb und mit beiden Händen versuchst du deinen rasenden Puls zu regulieren. Alles will mit den Wolken schweben. Der Orkan in dir lässt alles anschwellen und deine Haut wird dünner und dünner. Du liegst verwundbar und offen und deine Augen sind weiße Kugeln in einem dunklen Gesicht, zwei grelle Planeten, um die herum alles zerfließt, der Zement zerfließt, der Wolkenkratzer verliert die Konturen, verwischt und löst sich auf, die Häuser stürzen in den Ozean und alles erlischt. Schwarz.
Du kannst nicht mehr stehen und musst dich setzen. Um dich herum schließt sich der Raum und ein Rauschen geht durch deinen ganzen Körper. Du fühlst dich überanstrengt und erschöpft und musst deinen Kopf zwischen die kalten Finger stemmen, aber deine Kuppen fühlen sich fremd an, als du sie in deine Schläfen bohrst und durch das Rauschen hörst du deinen gehetzten Atem.
Du willst alleine sein, denn deine Augen sehen jetzt nach Innen und deine Stimme vibriert durch deinen Schädel und alle Kommunikation beschränkt sich auf die Zwiesprache mit Mr. Sub. Er sagt:
- Du willst nicht.
Aber du antwortest:
- Oh doch.
Mr. Sub lacht höhnisch und du trittst verzweifelt nach ihm aus, während du schreist und dir die Ohren zuhältst. Der Orkan in dir verformt sich von einem Kegel zu Mr. Subs grauen Lippen und sie bewegen sich, öffnen sich erst zu einem Oval, erstarren dann kurz und schließen sich über einem Kreis. Und noch einmal: Erst das Oval, das Verharren, ein Kreis und geschlossen - Oval, Verharren, Kreis, Stumm
Schließlich kannst du dich nicht mehr dagegen wehren und deine Lippen beginnen sich ebenfalls zu bewegen, deine Stimme erhebt sich über dem Heulen und Rauschen:
-  Warum... Warum... WARUM...
Warum bist du, wo du nicht sein willst und warum tust du, woran du nicht glaubst? Warum gehst du, wenn du stehen willst und warum sprichst du, wenn es nichts zu sagen gibt?
- Ich weiß es nicht!
Du schlägst die Stirn gegen die Knöchel deiner geballten Fäuste und schreist weiter:
- Ich weiß es nicht, ich weiß es nicht, ich weiß es nicht!
Warum bist du, wer du nicht sein kannst und warum liebst du, was nicht lieben kann? Warum lügst du, um zu behalten, was wertlos ist und warum schweigst du, wenn die Wahrheit sprechen will?
- Hör auf!
Warum bleibst du, wo du unerwünscht bist und warum meidest du das Echte? Warum setzt du alles daran, das Warum nicht zu ertragen? Warum?
- Oh Gott.
Und du schaust hinaus auf die verschneiten Straßen, du verfolgst den aufsteigenden Rauch aus den Schornsteinen. Du schaust auf deinen Kalender mit dem goldenen Stern auf dem Blatt und das rote Plastikrechteckchen auf der Nummer 24, das deine Mutter sorgfältig am Morgen vorgerückt hat, so dass der schwarze Rand des Kästchens komplett von Rot bedeckt ist. Du denkst das Wort „Weihnachten“, aber es bedeutet nichts.

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