Samstag, 3. August 2013

Vom Camino del Norte zurück - und jetzt?


Ich bin seit drei Tagen vom Camino zurück und es ist nichts, wie es sein soll. 
Die Pilger sprechen immer nur von ihrem Weg auf dem Camino, aber keiner spricht von seinem Weg nach dem Camino. Sie sprechen nur von ihrer Rückkehr während dem Camino, während sie laufen und glauben zu leiden. Sie sprechen dann von den Massagen, die sie sich zu hause leisten wollen, von zwei Tagen Durchschlafen, von endlos langen Duschen, sauberer Wäsche und keinen Blasen mehr an den Füßen. Aber so ist die Rückkehr nicht. Zumindest meine Rückkehr ist so nicht.

Die letzten beiden Tage bin ich 20 und 15 Kilometer gegangen. Ich habe mir Baguette gekauft (eigentlich hasse ich Weißbrot) und keine Lust gehabt, meine Klamotten aus den Umzugskarton heraus zu suchen, also bin ich einfach im Pilger-Look geblieben und habe weiterhin meine Mikrofaserunterhosen unter der Dusche gewaschen. Ich ging im See schwimmen, schloss die Augen und stellte mir vor, es sei das Meer. Meine Füße wollen laufen, laufen, laufen, immer nur laufen. Ich bin ruhelos, rastlos. Die ersten beiden Nächte konnte ich nicht schlafen. Ich bekam Muskelkrämpfe in den Waden vom NICHTlaufen - Tatsache! Während der 415km auf dem Camino del Norte hatte ich nicht einen Muskelkrampf.

Natürlich habe ich mich gefreut, meine Freunde wieder zu sehen. Natürlich war es schön, endlich einmal wieder nachts in einem ruhigen und sicheren Bett zu schlafen. Und gerade sitze ich hier schön vor meinem Laptop, höre laut Musik und trinke Radler. Aber trotzdem zieht es mich innerlich zurück und wieder auf nach draußen, auf einen Weg mit einem Ziel, in einen Wald, an eine Küste, durch ein Feld, über Steine, über Fels, auf Schotter, auf Sand, auf Kies.

Neben mir liegen die Fotos, die wir mit der Unterwasserkamera gemacht haben. Salz auf der Haut und im Mund, in den Augen, auf der Zunge. Auf einem Bild sehe ich: Mich und das Meer, den Rücken zur Kamera, die Welle vor mir, der Himmel blau. Dieses Foto ist richtig. Hinter mir ist das Fenster und ich schaue raus: Ein geteertes Dach, eine grau-braune Hausfassade, schwarze lieblose Fenster, leere Blumentöpfe (außer einer, in dem ist Hanf gepflanzt), kein Himmel. Das kann nicht richtig sein.


Ich vermisse den Camino mit all meinen Sinnen, ich vermisse die Freiheit, die er mir gab, vermisse die Aufgaben, die ich auf ihm fand, vermisse die Menschen, mit denen er mich verband. Mir fehlen seine Höhen und Tiefen, ich möchte ihn wieder in meinen Beinen spüren, will seinen Wind zurück und seinen warmen Regen, will in seiner sengenden Hitze schwitzen und in seinen Unwettern schreien. Ich will sein Wetterleuchten über mir und seinen Vollmond hinter den Berggipfeln wieder sehen, will den Tau an meinen Waden kleben spüren und die Insekten surren hören und ja, auch den Asphalt und die vorbei rasenden Autos will ich zurück haben - ich will alles!

Denn so fühlt es sich falsch an. Ein Mitpilger schrieb nach dem Abschied: "Kommt gut zurück in der Realität an." Als wäre der Camino nicht die Realität gewesen. Als sei der Camino nicht viel realer als alles, was uns diese Realität tatsächlich bietet. Ich habe die ganzen Briefe und Rechnungen auf meinem Schreibtisch noch nicht geöffnet, noch in keine Zeitung geschaut, keine Zeile gelesen, die mich zurück in die Gesellschaft und das globale Weltnetz holt. Ich habe Bier getrunken und bin nachts um den Weißensee gewandert. Ich habe in Friedrichshain einen Pflaumenbaum geplündert. Ich habe in einem Brunnen gebadet. Ich habe alles getan, um so gut es geht zu SEIN.

Aber einfach ist das nicht, wenn nichts ist, wie es sein soll. Und daher muss ich für mich feststellen, dass der Weg nach dem Camino viel schwieriger sein kann als der Weg auf dem Camino und er daher für mich vermutlich die eigentliche Herausforderung ist.

https://www.dropbox.com/s/xamgv3rxwpoylkj/video-2013-07-30-11-17-12.mp4

Stille

(geschrieben von Laui und mir am Flughafen von Bilbao, 31.07.2013)


Ein Schweigen nährt die Stille
die längst nicht mehr anhält
Es lärmt aus allen Ecken -
Jede Stille still gestellt.

Ein Pärchen mit der Muschel
lähmt den Lärm ein kurzes Stück
bevor das Schweigen weiter rast
und uns mit seiner Last erdrückt.

Noch gestern gab es Stunden
da war das Schweigen voll, es klang
und Wind war in den Wolken
der wild von Abenteuern sang.

Doch heut wiegt schwer der Schritt am Boden
und alles Schweigen drängt
uns von hier fort zu holen
dorthin, wo jetzt alles fremd.



Moderat - Bad Kingdom



here it ends
no one’s gonna shed a tear
no need to shout
just to stand the silence

a well spent time
in the early morning’s haze
you sit and wait
watching full glasses through blank eyes

this is not
what you wanted
not
what you had in mind

vacuous winter stare
worn out version of yourself
to tough to fall
but not strong enough to turn

this is not
what you wanted
not
what you had in mind

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