Mittwoch, 27. Oktober 2010

Liebe auf Akadämlich Part I

Heute war es also endlich soweit: Mein erstes Seminar an der hochwürdevollen, altehrwürdigen Humboldt Universität zu Berlin zu einem Thema, das die Menschheit schon seit jeher bewegt. Zu dem Thema überhaupt, denn ohne das Thema gäbe es uns Menschen nach Ansicht manch eines großen Denkers überhaupt gar nicht, zumindest nicht mehr seit irgendwer oder etwas da oben diesen Hebel mit der Beschriftung "Selbsterkenntnis" umgelegt hat und wir kategorisch angefangen haben uns mehr oder minder verdammt unwohl in der eigenen Haut zu fühlen.
Shakespeare gäbe es dann auch nicht. Also ohne das Thema. Und Blumensträuße, Blumensträuße gibt es auch nur wegen dem Thema, genauso wie Lebkuchenherzen und überhaupt alles, was zuckersüß und plüschig und rosa ist.


  Es könnte so schön sein ohne...

Selbstmord gäbe es ohne das Thema wohl auch nicht. Und Einsamkeit. Oder Isolation. Denn wenn es das besagte Thema überhaupt nicht gäbe, dann könnte man auch keinen Mangel oder eine Irrführung darin erfahren, es somit weder missen, noch idealisieren und sehr ruhig und unbedürftig, aber auch wesentlich unpassionierter und unindividueller, ein wenig grau und unheimlich plüschfrei sein Leben leben. Ich sage bewusst "sein Leben leben", denn genießen könnte man es dann wiederum nicht länger und ersteres auch nur bedingt, denn die großen Denker behaupten, in dem Moment, in dem es das Thema nicht mehr gäbe, würden wir Menschen uns vor lauter Langeweile gegenseitig die Köpfe einschlagen, und zwar diesmal so lang, bis wirklich keiner mehr übrig bliebe.


   Vielleicht lieber doch mit...

Meine Lieben, es ist natürlich ganz klar, wovon ich rede, denn ich habe es eben nun auch schon erwähnt, es geht um die Liebe! Jack Kerouac schrieb "Nobody ever dares to write the true story of love", aber die Humboldt Universität, personifiziert durch Prof. Dr. Glücklich* dares to talk about what might be the truth of love im Rahmen des Proseminars "Was ist Liebe?", worin eine praktische Philosophie zum Thema entwickelt werden soll und im Optimalfall danach aufs eigene Leben angewandt werden werden kann. [Futur II ist super]

Jedenfalls, wie gesagt, heute war es endlich soweit! Und ich war ganz aufgeregt. Enthusiastisch wie ich nunmal eben bin, wenn es um das Thema geht, hatte ich sogar bereits vor dem eigentlichen Beginn des Seminars die ersten Hausaufgaben gemacht: Den Reader hatte ich besorgt, die Struktur des Seminars entschlüsselt, den ersten Text von Platon gelesen. Ich war Feuer und Flamme: Platon, Aristoteles, Platin, Augustinus, Kant und dann zum triumphalen, aber auch vernichtenden Abschluss noch Nietzsche, was für ein herrliches Konglomerat aus gedachten Konzepten zum Thema von zeitlich so versetzten und sich in ihren Ansätzen unterscheidenden Menschen. Aber bevor es um die genauen Analysen jener Großen gehen soll, was haben andere sich noch so zu dem Thema gedacht? Eine kleine Sammlung:

"Love kills what needs it." DFW
"Schwächen  
Du hattest keine
Ich hatte eine
Ich liebte." Bertholt Brecht
"Love is how we call our ignorance of what whips us." John Barth
"Love! What is it? Most natural painkiller what there is. LOVE" William S. Burroughs
"You can't kill love. You can kill in-love, and loving, and even loveliness. You can kill them all, or numb them into dense, leaden regret, but you can't kill love itself. Love is the passionate search for a truth other than your own." Gregory David Roberts
"Wenn wir lernen wollen zu lieben, müssen wir genauso vorgehen, wie  wenn wir irgendeine andere Kunst, zum Beispiel Musik, Malerei, das Tischlerhandwerk oder die Kunst der Medizin oder die Technik lernen wollten." Erich Fromm

Das sind schon einmal reichlich viele Definitionen. Ich fasse zusammen: Die Liebe tötet also den, der sie braucht, ist selbst aber untötbar, obwohl sie an sich eine Schwäche ist und die Achillesferse manch eines Liebenden darstellt, wenn er auf seiner Suche nach der Wahrheit ausgepeitscht wird und das nur aushält, weil die Liebe  ein natürliches Schmerzmittel ist, für das man keinen Apotheker, sondern einen verinnerlichten Künstler braucht, der man von Natur aus nicht ist.
Gar nicht so einfach, würde ich mal sagen, beziehungsweise: höchst kontrovers. Und so erlebt ihr sie auch, liebe Leser, die Liebe; als etwas unglaublich komplexes, etwas kompliziertes, ein sich selbst widersprechendes Phänomen, das sich scheinbar jeder klaren Definition entzieht.

Das Paradox der Liebe hat für mich ein im Vergleich zu den eben genannten großen Namen eher unbekannter Name auf den Punkt gebracht, nämlich Daniel Johns, Sänger und Frontmann der australischen Band Silverchair und Held meiner Teenanger-Version (leider ausverkauft).


 ...liebte früher bis auf die Knochen und jetzt Natalie Imbruglia, also eigentlich immernoch Knochen.

Er sang in einem seiner Lieder des Albums Neon Ballroom, welches er übrigens komplett von der Außenwelt isoliert während einer sechsmonatigen (oder war es sogar ein Jahr? Ich weiß es nicht mehr) Panikattacke, in der er sich in sein Appartment einschloss, schrieb:
I love the way you love. But I hate the way I'm supposed to love you back. Remember today, I've no respect for you. And I miss you, love.
Das geht unter die Haut, würde ich mal sagen, was aber auch kein Wunder ist: Daniel hatte nämlich Anorexia und widmete dieses Album seiner Krankheit, die er auch sehr liebte und brauchte, allerdings im Sinne der DFWschen Definition und mit beinahe tödlichem Ausgang.

Ihr seht jedenfalls also, es gibt da meinerseits eine gewisse Erwartungshaltung gepaart mit einem gewissen Erfahrungswert gegenüber dem Thema und bin auch nicht ganz objektiv, was es anbelangt. Aber wer ist das schon? Der Traum vom objektiven Lieben wurde schon oft geträumt, aber meines Wissens nach nie dauerhaft realisiert und musste an dem einen oder anderen involvierten Subjekt scheitern. Dabei müssen die beiden Subjekte nicht einmal zwei Menschen sein. Es kann auch ein Mensch und eine Mutter sein. Oder ein Mensch und ein Gott...das Thema ist, wie man weiß, universal anwendbar und sogar darüber hinaus.

Soviel aber erst einmal für heute, denn ich persönlich liebe den ausreichenden Schlaf. Bald gibt es mehr zum Thema mit einer Wachsfigur namens Dr. Prof. Glücklich, einem sich leerenden Hörsaal und unterdrückten Impulsen, die wohl kaum etwas mit dem Thema zu tun hatten, sondern wohl eher mit seinem Antagonisten. Ich verrate so viel: Im Figurenkabinett des Schreckens die Liebe aufrecht zu erhalten überstieg die Möglichkeiten manch eines Studenten und auch ich kam an meine gefühlten Schmerzensgrenzen.



* der Autor versichert die Anonymisierung der genannten Person in seinen Beiträgen, garantiert seinen Lesern jedoch semantische Authentizität, soll heißen: Die (außerordentlich ironische) Wirkung des Namens in der Realität entspricht auch der in der Fiktion.

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